Der Kollauer Hof und sein Obelisk
Infotafel Heckenrosenweg
Simulation der neuen Infotafel beim Obelisken am Heckenrosenweg
(Design Joerg Kilian, designer-lokstedt.de)
Die Infotafel erzählt eine kurze Geschichte des gesamten Kollauer Hofs, der die Keimzelle jeglicher lokalen Besiedlung ist und auf dem sich später die ersten industriellen Betriebe an den Ufern
von Kollau und Tarpenbek niederließen.
Die Tafel soll somit an ein wichtiges Stück Lokstedter, Niendorfer und Groß Borsteler Historie erinnern. Das Forum Kollau plant u.a. die Tafel als Start- bzw. Endpunkt von künftigen
Stadtteilspaziergängen in Lokstedt zu nutzen. Ein QR-Code auf der Tafel führt direkt zu dieser Seite.
Faksimile des Entwurfs für die Infotafel am Obelisk beim Heckenrosenweg. Auf die Grafik klicken und ein PDF davon herunterladen (2,1 MB)
Kollauer Hof
Bereits im 12. Jahrhundert wird der Kollauer Hof, das weit vor den Toren Hamburgs liegende Anwesen zwischen Kollau und Tarpenbek, urkundlich erwähnt. Es gehörte im Laufe der Jahrhunderte vielen Besitzern, von Kirchenfürsten bis zu hanseatischen Kaufleuten, die hier jedoch kaum zu großem Wohlstand gelangten. In Kriegszeiten durchzogen und campierten hier Landsknechte, Kosaken, dänische, französische, preußische Soldaten, hinterließen oft schlimme Verwüstungen.
1786 ersteigerte der angesehene Hanseat und Bürgerkapitän* Jakob von Axen das etwa 18 ha große Grundstück mitsamt Wohnhaus, Garten- und Mühlenhaus. Er gestaltete seinen neuen Sommersitz ganz im klassizistischen Stil der Zeit der Aufklärung um: Ein englischer Landschaftsgarten entstand, in dem man zwanglos lustwandeln, picknicken und auf Teichen und Flüsschen mit kleinen Booten fahren konnte. Hier traf sich die „gute“ Hamburger Gesellschaft, debattierte über die Zeitläufte, insbesondere die revolutionären Zustände in Frankreich.
Häufig waren von dort geflüchtete Adelige zu Gast. Von Axen starb bereits 1807, das Anwesen wurde 1812 veräußert, nach und nach parzelliert und für erste Industrieanlagen und Wohnbebauung genutzt. Bis 1864 gehörte die ganze Liegenschaft zum Amtsbereich Pinneberg, der bis 1864 unter dänischer Ägide stand und dann preußisch wurde. Erst 1937 wurden Lokstedt, Niendorf und Schnelsen in den Stadtstaat Hamburg eingemeindet.
*Bürgerkapitän war ein Ehrenamt, das es in der Neuzeit in verschiedenen Städten Deutschlands gab.
In Hamburg wurde ein Befehlshaber der Bürgerwache als Bürgerkapitän bezeichnet. (Quelle Wikipedia)
Ausschnitt aus einem Hamburger Stadtplan von 1930 (Westermann Schulatlas). Transparent blau eingezeichnet ist die vermutete Ausdehnung des Kollauer Hof, um 1890.
Obelisk am Heckenrosenweg
Noch heute ist die Insellage des Obelisken erkennbar – ein fast romantischer
„Lost Place“. (Foto Ingelor Schmidt)
Der Obelisk, hier um 1920 zwischen Wiesen und Feldern gelegen, hat allen Veränderungen seiner Umgebung standgehalten. Er ist damit eines der wenigen historischen Monumente Hamburgs, die an ihrer ursprünglichen Stelle stehen. Die ehemalige Wiesenstraße wurde 1950 in Heckenrosenweg umbenannt.
Jakob IV. von Axen
Jakob IV. von Axen (Kollauer Chronik, Band 1)
Jakob IV. von Axen (1748 - 1807) lebte gern „auf dem Collau“, mit seiner Frau Catharine und seinen Töchtern. Die älteste, Catharina Margaretha, starb im Alter von 26 Jahren während eines Verwandtenbesuchs in Berlin an einer Lungenentzündung und wurde in Charlottenburg beerdigt. Zu ihrem Andenken wurde um 1800 von ihrem untröstlichen Vater an ihrem Lieblingsplatz ein Obelisk errichtet. Diese auf die Antike zurückgehenden Monumente waren eine beliebte Dekoration in den großen Gärten und Parks jener Zeit.
Engel Christine Westphalen
Ölgemälde von Johann Heinrich Wilhelm Tischbein: "Engel Christine Westphalen, geb. von Axen", Hamburger Kunsthalle (Foto E. Walford)
Engel Christine Westphalen, geb. von Axen (1758-1840) ist eine Schwester des Gutsherrn des Kollauer Hofes. Die Senatorsgattin erfasst schon früh eine Leidenschaft für Literatur und beginnt selbst zu dichten. Als Schriftstellerin wird sie populär mit patriotischen Gedichten, schreibt Theaterstücke und veröffentlicht auch ein Kochbuch.
Der frühe Tod ihrer Nichte Catharina trifft sie sehr. Auf dem Obelisken wird zusammen mit anderen Reliefs eine Platte angebracht, auf der in Goldbuchstaben ihr gefühlvoller Vers zu lesen war:
Wanderer klage, daß hier die blühende Jugend verwelkte
Daß aus Gebieten des Glücks Hades die Glückliche rief;
Daß die fühlendste Brust verstummte. Sie denkt mit Wärme.
Selbst der fühllose Stein redet mit Wärme von ihr.
Schau und lies: Der Vater erbaut ihr schweigend dies Grabmal,
Und die Verschwisterte lieh schweigend dem Marmor den Mund.
Die Dichterin ließ sich gleich nach dem Tod der Nichte von dem französischen Portraitmaler Mosnier portraitieren. Mit sanfter Geste weist sie auf den Obelisken in seiner idyllischen Parklandschaft hin.
Ölgemälde von Jean-Laurent Mosnier: "Engel Christine Westphalen", 1800 (Hamburger Kunsthalle. Foto E. Walford)
Johann Georg Rist
Johann Georg Rist (Kollauer Chronik, Band 2)
Johann Georg Rist (1775 – 1846) gehörte als Sohn des ersten Pastors der Niendorfer Kirche, die 1770 geweiht worden war, zu den gern gesehenen Gästen der Familie von Axen. Der spätere Gesandte des dänischen Hofes schreibt in seinen Erinnerungen: „Ich habe das freiere Leben in diesem Hause unter den vielen Freunden, die sich dort zusammenfanden, erst kennen gelernt“. Hier hört er zum ersten Male die Marseillaise, die ihn berührt. „Im benachbarten Hamburg schwärmte nicht nur die Jugend und Kraft für die neue politische Freiheit, der Kaufmann fühlte sich fortgerissen und das Alter belebt“. Rist blieb der Französischen Revolution aber, wie er sagt, „fremd“ gegenüber.
Auf dem Kollauer Hof
Der Lokstedter Maler A.O. Noah malte um 1870 noch einmal die Einfahrt zum Herrenhaus, am heutigen Heckenrosenweg. Die schöne Baumallee hat sich nur teilweise erhalten.
Der Straßenname „Auf dem Kollauer Hof“ an der Kollaustraße verweist auf auf die erste Besiedlung. Die urkundliche Nennung des Kollauer Hof (Curia Burstolde an der Coldeloghe) geht auf das Jahr 1202 zurück. Lokstedt (Lockstede) und benachbarte Dörfer tauchten erst viel später (ab 1343) in Büchern und Karten auf.
Herrenhaus von Axen
Herrenhaus von Axen, um 1900 (Kollauer Chronik, Band 2)
Das Haus von Axen brannte 1835 ab, wurde neu aufgebaut und diente sogar kurz als Gasthaus. Ende der 1930er Jahre wurde es abgerissen, das Gelände endgültig parzelliert.
Seit 1937 gehörte auch Lokstedt zu Hamburg. Zwischen der Kollau und Tarpenbek werden neue Straßen angelegt, eine neue Wohnsiedlung mit praktischen Spitzdachhäusern entsteht, von denen viele noch zu sehen sind. Die Straßennamen weisen auf die ersten Industrien hin, die sich hier im 19. Jahrhundert ansiedelten. Hier die Straße "Möhlenwisch" in unmittelbarer Nähe des ehemaligen Herrenhauses von Axen (Fotos Ingelor Schmidt)
Lokstedter Wasserwerk
Die Kollau ermöglichte schon in frühen Zeiten den Betrieb einer Kornmühle. Danach entstand eine Schwarzpulvermühle, die jedoch mehrfach explodierte und schließlich aufgegeben wurde. Der
Straßenname „An der Pulvermühle“ erinnert an sie.
Bereits 1920 erhielt Lokstedt ein eigenes Wasserwerk. Der attraktive Rotklinkerbau wurde in den 1990er Jahren liebevoll restauriert und wird heute von einer Handvoll kleiner Unternehmen genutzt;
einige Jahre zuvor auch von einer Hochzeitsagentur. (Foto Kollauer Chronik, Band 2)
Lokstedter Gaswerk
1591 erteilte Graf Adolf von Holstein eine »Schießpulverkonzession für eine Pulvermühle«. 1660 explodierte die Pulvermühle. Der Straßenname „Bei der Pulvermühle“ erinnert noch heute an
diese Zeit. Dieses Gebäude wurde 1889 als Gaswerk gebaut und bestand aus dem Ofenraum (heute Restaurant) und dem Kohleschuppen (heute Banketträume). Im Ofenraum wurde bis 1923 aus Kohle
Kokereigas zur Energieerzeugung produziert.
Die Fabrikanlage diente in der Folgezeit abwechselnd u.a. als Fischräucherei, Fischkonservenfabrik, Produktion von Aromastoffen für die Margarineherstellung, Lager für eine
Spielautomatenfabrik, Farbenfabrik und der Firma ‚Time System‘ zur Herstellung von Einlagen für Filofaxe.
2016 wurde das Gebäude nach alten Plänen komplett saniert und umgebaut. Im Außenbereich wurde der für Hamburg so typische originale rote Backstein bis auf die Verfugung vollständig erhalten und
restauriert.
Seit 2017 hat hier das Restaurant PULVERMÜHLE für seine Gäste geöffnet. (Foto Kollauer Chronik, Band 2)
Lokstedter Güterbahnhof
In unmittelbarer Nähes des ehemaligen Kollauer Hofs – heute auf Groß Borsteler Gebiet – befindet sich der 1922 eingeweihte wichtige Umschlagplatz, an der bereits 1903 verlegten Hamburger
Güterumgehungsbahn Er sollte ab 1938 den Hauptbahnhof entlasten. Während des Krieges waren hier Zwangsarbeiter untergebracht. In der Nachkriegszeit herrschte Hochbetrieb: Kohlen und später Autos für
die „Automeile Nedderfeld“ wurden hier entladen. Der Bahnhofsbetrieb ging bis 1985. Danach wurde das Gelände von kleinen Unternehmen aus den Bereichen Handwerk, Industrie und Dienstleistungen
genutzt.
Das kleine Bild aus der Grigat-Chronik Lokstedt zeigt den Rangierbetrieb im Jahre 1977.
Bei einem Stadtteilrundgang 2016 führte uns unser Mitglied Volker Bulla über das Gelände des ehemaligen Lokstedter Güterbahnhofs – das ja heute auf Groß Borsteler Gebiet liegt. Das große Bild (Foto
Joerg Kilian) zeigt eine verfallene – mit Graffiti verschmierte – Laderampe. Der ehemalige Güterbahnhof mit dem Charme eines „lost place“ erinnert vage an vergangene Zeiten.
Am 19. Mai 2017 begann auf dem Gelände eines der größten Wohnungsbauvorhaben Hamburgs. Seitdem wurden an der Gert-Marcus-Straße fast 1.000 Wohnungen für mehr als 2.000 Menschen errichtet – das
Quartier „Tarpenbeker Ufer“.
Grenzstein No.15
Am Zusammenfluss von Kollau und Tarpenbek hat auch der Maler A.O. Noah eine romantische Interpretation des ländlichen Lebens vor mehr als einhundert Jahren festgehalten. (Foto Rudolf
Grimme)
Auf alten Karten kann man feststellen, dass die Kollau wesentlich kräftiger dargestellt wird als die Tarpenbek. Dass die Kollau heute weniger Wasser führt – und beide Bäche damals deutlich
ausgeprägter waren, als heute – ist wohl auf die Trockenlegung von Feuchtgebieten im Norden und die massiv ausgebaute Wassergewinnung aus Grundwasser zurückzuführen.
Am heutigen „Dreiländereck“ zwischen Niendorf, Groß Borstel und Lokstedt – seinerzeit jedoch zwischen Preußen und Hamburg – befindet sich einer der wichtigsten Grenzsteine. (Foto Joerg
Kilian)
Die Nachbildung vom Grenzstein No. 15 mit der Inschrift HP/FR VI/1817/No 15 wurde 2011 auf Initiative von Joachim Grabbe aufgestellt.
HP = Herrschaft Pinneberg, FR VI = Frederik Rex VI, 1817 = war die Setzung vom Originalstein, No 15 = der 15te Stein vom Eimsbütteler Marktplatz.
siehe auch Projekt Grenzsteine